Archetypische Assoziationskontexte
aus Klang und Bild
Die Oberflächengestalt von Klaus Damms Arbeiten hat in allen Medien etwas Unmittelbares, Greifbares: Anklänge an Körperlichkeit, Frugales oder Kristallstrukturen, elementare rhythmisch-melodische Ausgangszellen und räumliche Klanggebilde. In der Tiefenstruktur verbinden sich diese Elemente zu polyphon verwobenen archetypischen Assoziationskontexten – kreisende Universen jenseits der Zeit. So entstehen fremde und zugleich vertraute Welten: Wege nach Innen, zur Ganzheit.
Klang-Komposition
Klang-, Rhythmus- und Melodiezellen werden auf unterschiedliche Gestaltformen aufmoduliert. Die gleiche Zelle wird so zum Ausgangspunkt für bewegte Flächen, percussive Haltepunkte, lineare Geflechte, Fundamente, Lichter. Es entstehen neue Gebilde: rhythmisch-metrisch strukturiert oder amorph, melodisch fassbar oder ganz in einem bewegten Hyperraum verwoben.
Solcherart auf der Gestaltebene unterschiedene Zellvarianten verlaufen kanonähnlich in parallelen Schichten. Diese werden in sich wieder zu Gruppen aufgebrochen, die ihrerseits wieder reinterpretiert werden: zeitlich durch Dehnungen, Stauchungen, Schnitte, Permutationen sowie klanglich über Filter- und Modulationsprozesse, Raumpositionen und Lagenverschiebungen.
Schicht- und Gruppen-übergreifende (inter-)Modulations- und Klangerweiterungs-Prozesse führen in Montage und Mischung zu einer statischen Ganzheit mit in sich bewegten Strukturen, aus denen an der Oberfläche einfache Gestaltelemente modelliert werden.
Bild-Komposition
Mit der Form der "Visiografie" entwickelte Klaus Damm einen eigenen Weg zur Bild-Komposition: Eine komplexe Montagetechnik nutzt er, um seine fotografischen Ausgangsmaterialien auf ihren emotionalen und gestalterischen Kern zu verdichten.
Stilisierung beginnt bei Klaus Damm bereits bei der Aufnahme: mit der Wahl von Blickwinkel, Objektiv, Schärfe und Lichtszenarien. Sie setzt sich fort in der RAW-Entwicklung, bei der er abstrahierend stilisierende Varianten gestaltet. Diese überlagert er vielschichtig mit Ausdrucksdimensionen anderer Motive. Durch unterschiedliche "Verrechnungen" und modifizierende "Einstellungsebenen" erzeugt Klaus Damm daraus ein weites Spektrum von komplexen Energieszenarien – im Rahmen seiner prägnanten Bildsprache.
Mit dieser Grundstruktur schafft Klaus Damm "Bildwolken" von bis zu mehreren hundert zusammengehörenden Visiografien. Sie kategorisiert er nach Gestaltungs- und Ausdrucks-Parametern, mit denen er über Parameter-Schnittmengen Gruppen bildet.
Diese erlauben dem Künstler die Arbeit mit definierten formalen Prozessen in Serien von Visiografien – realisiert als großformatige Drucke hinter Acryl, als Bildsequenzen in Druckgrafik-Mappen und schließlich als Eingangsmaterial für Bewegtbild-Strukturen.
Bewegtbild-Komposition
Serien aus der Bildwolke komponiert Klaus Damm wie musikalische Elemente zu Bewegtbild-Strukturen, den "Video-Visiografien". Übergänge zwischen Visiografien unterschiedlicher Verwandtschaft liegen der Bewegung ebenso zugrunde wie der direkte dynamische Eingriff in die Ebenenstruktur der Visiografien.
Formale Prozesse legt Klaus Damm analog der "Parameter-Kontrapunktik" aus der Musik der Webern-Nachfolge an: So kann ein Parameter – etwa Farbigkeit – beispielsweise einen bestimmten langsamen Veränderungsprozess durchlaufen, während andere Parameter – wie z. B. Flächigkeit oder formale Aufteilung – anderen Verläufen mit anderen Geschwindigkeitsstrukturen folgen.
Überlagert werden Ebenen auch in der Bewegtbild-Komposition, teils unter Verwendung von aus Bildstrukturen geformten Masken. Formale Differenzierung entsteht durch Eingriffe in Zeit- und Übergangsprozesse, durch Austausch, Verrechnungsmodi, Deckkraft-Veränderung sowie weitere Verfahren, mit denen sich Klaus Damm ein weites Spektrum von Gestalt- und Ausdrucksformen in seiner virtuellen Palette verfügbar macht.
Klang-Bild-Komposition
Klang und Bild stehen in Klaus Damms Video-Visiografien in einer medienübergreifend polyphonen Beziehung zueinander, einem komponierten Spannungsbogen mit Momenten der Annäherung und solchen der Entfernung zwischen den Ebenen. Die kompositorischen Prinzipien gründen in postseriellen Verfahren Neuer Musik und finden gleichermaßen Anwendung auf Musik- und Bildschicht. Diese Ganzheit führt zu einer dichten synästhetischen Wahrnehmung der Klang-Bild-Komposition.
Einheit in Vielfalt
Klaus Damms Sparten übergreifende Kompositionen sind so angelegt, dass die einelnen Dimensionen – Musik, Visiografie, Video-Visiografie – sowohl miteinander als auch einzeln aufgeführt werden können. Gleichzeitig sind Musik und Bildschicht unabhängig voneinander bestehende Arbeiten, wenngleich aufeinander bezogen komponiert: Metapher einer Ganzheit, deren – in sich wahre – Teilaspekte immer nur bestimmte Blickwinkel auf eine umfassendere Wahrheit vermitteln. Ein in sich bewegter potenziell unendlicher Klang-Bild-Kosmos als Einheit aus lebendiger Vielfalt – statisch und in Entwicklung zugleich, ein "Glasperlenspiel".